Echo vom 1. Berner HOFgesang 26. Mai – 10. Juni 2009
Dreissig Mal drehte sich das audio-visuelle Kaleidoskop, dreissig Mal erklangen
Berner Höfe in allen Farben, leuchteten sie in allen Tönen auf. Mehr als
500 Sänger/innen haben sich hinaus gewagt, die einladenden Höfe zu
feiern und den trostlosen Leben einzuhauchen. Sie schenkten der Stadt Bern ein
Fest für Kehlen, Ohren, Augen, Herz und Hirn.
Der HOFgesang brachte die Rückseite der Stadt nachhal(l)tig zum Erklingen,
den Chören wurde viel verdienter Beifall zuteil; und die Höfe standen
zwei Wochen lang im Mittelpunkt des Interesses: Medienecho
Langjährige StadtbewohnerInnen staunten über unvermittelte Einblicke in bis anhin unbekannte Gefilde, über unerwartete Paradieswinkel und über schiere Hässlichkeit: Berner Höfe
Das Eröffnungskonzert an der Wyttenbachstrasse wurde kräftig begossen.
Von oben. Die Sänger/innen zogen Kapuzen über oder stellten sich unter
Schirme (Vorteil: man hört sich selber bedeutend besser daunter) und schickten
ihre Lieder herzhaft, klangvoll und strahlend über den tropfenden Hof. Video.
In vielfältigster Weise verliehen in den nachfolgenden vierzehn Tagen auch die
weiteren zwei Dutzend Chöre ihrem Hofgefühl Ausdruck, drei unter ihnen bei
ähnlich feuchten Aussenbedingungen und genauso souverän und denkwürdig.
Begossen wurden die Auftritte dann weiterhin, wiewohl gezielt, je trockener die
Hofluft, desto entschlossener: auf das gegenseitige Wohl und auf lebensgerechte
Höfe und gedeihliche Nachbarschaft. Das Zuprosten hat hoffentlich auch zur
Annäherung zwischen Chorsänger/innen und noch chorlosen Gesangsfreudigen
geführt.
Eine ganze Schule setzte im Wyler dem schliesslich den fulminanten
Schlussakkord des 1. Berner HOFgesang und machte
selbstverständlich gleich ein Fest daraus.
Das Höfli vermochte die Besucherschar kaum zu fassen, was aber kein Problem bot,
da es fliessend in einen ausschweifenden Hof übergeht.
Ein guter Nachbarschaftsgeist wehte auch über den mitwirkenden Chören,
Sie sangen im eigenen Hinterhof, im Quartier, oder sie besuchten die Stadt aus dem
näheren oder ferneren Umfeld kommend, aus Westen (Sensetal), Osten (Emmental)
oder gar aus dem Fernen Osten (Zürich, Winterthur). Wer weiss, wohin das noch
führt, unser aller Abwasser fliesst jedenfalls schon seit eh und je vereint
durch Basel...
Es wäre bestimmt verlockend, hier einzelne Auftritte in Erinnerung zu rufen, gleichzeitig würden aber andere Sternstunden ausgeblendet, lassen wir sie darum alle gemeinsam in der Erinnerung der Anwesenden weiter leuchten. Hier sind weiterhin alle Chöre mit ihren Auftritten versammelt.
Verschiedentlich haben Sprecher/innen der Chöre das Anliegen des HOFgesangs
dem Publikum eindrücklich nahe gebracht und verdeutlicht. Umgekehrt
begrüssten auch Anwohner/innen die Besucher/innen und berichteten aus der
Geschichte des Hofs und von den Bemühungen, einen Begegnungsort aus ihm zu
machen.
Selbsterklärend, einleuchtend und beeidruckend waren die Doppelauftritte in
lebenden und in toten Höfen, wobei diese Einteilung sich sicht selten im
Hofklang auflöste: Eine schimmlige Fassade wurde zum Bühnenbild einer
zauberhaften Aufführung. Wer den Blick in die Höhe schweifen liess,
traf immer wieder auf neugierige und erfreute Gesichter, und am Schluss verriet
entfernter Applaus, dass der HOFgesang weitherum gehört wurde.
Jeder besungene Ort wurde in den Herzen der Anwesenden verzaubert. Entweder
wurde er als erlebenswertes Stück Stadt in Erinnerung gerufen, oder er
hat Anstoss erregt, aber auch eine neue Dimension hinzugewonnen. Und wenn auch
nicht so gleich die Idylle ausbricht, der Impuls ist gegeben. Der
Quartierentwicklung und dem Chorwesen. Gesang macht vieles möglich,
was viele für nicht möglich halten.
Andreas Diethelm, Anfang Juli 2009